Misstrauensvotum gegen von der Leyen

Pfizergate, Notfallklauseln und Vorwürfe autoritärer Führung: Das Europäische Parlament sieht sich gezwungen, über den Führungsstil der Kommissionspräsidentin offen zu debattieren.

Eine Allianz von 74 Europaabgeordneten hat ein offizielles Misstrauensvotum gegen die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen eingereicht. Die Initiative geht maßgeblich auf den rumänischen Juristen und Abgeordneten Gheorghe Piperea zurück. Grund für den Vorstoß ist der langanhaltende Skandal um die intransparenten Impfstoffverhandlungen zwischen von der Leyen und Pfizer-Chef Albert Bourla.

Das Europäische Gericht in Luxemburg hatte im Mai entschieden, dass die Kommission rechtswidrig handelte, als sie die zwischen beiden ausgetauschten Kurznachrichten aus dem Jahr 2021 nicht veröffentlichte. Diese standen im Zusammenhang mit einem Vertragsvolumen von 35 Milliarden Euro für bis zu 1,8 Milliarden Impfdosen. Der Skandal, in Brüssel als “Pfizergate” bekannt, hat eine Debatte über Rechenschaftspflicht und demokratische Kontrolle in den EU-Institutionen neu entfacht.

Neben dem Impfstoffdeal kritisieren die Initiatoren auch von der Leyens Umgang mit parlamentarischer Mitbestimmung. So nutzte die Kommission im Mai eine Notfallregelung nach Artikel 122 AEUV, um das SAFE-Programm über 150 Milliarden Euro zur Rüstungsbeschaffung an den gewählten Vertretern vorbei durchzusetzen. Parlamentspräsidentin Roberta Metsola drohte mit Klage – vergeblich. Die Kommission verteidigte den Schritt als rechtlich notwendig aufgrund der geopolitischen Lage.

Der Misstrauensantrag, der voraussichtlich im Juli zur Abstimmung kommt, dürfte an der Hürde der Zweidrittelmehrheit scheitern. Doch sein politisches Gewicht ist nicht zu unterschätzen. Auch in von der Leyens eigener EVP-Fraktion gibt es vereinzelte kritische Stimmen. Vertreter der Grünen und Sozialdemokraten äußerten ebenfalls zunehmende Zweifel an ihrem Führungsstil, distanzierten sich jedoch von einem Schulterschluss mit rechten Gruppierungen.

Man wirft der Kommission vor, sukzessive Kompetenzen von den Mitgliedstaaten und dem Parlament auf sich zu konzentrieren. Dazu gehören Verteidigungs-, Gesundheits- und Finanzfragen. Auch wenn ein erfolgreicher Ausgang angesichts der hohen Hürde unwahrscheinlich bleibt, markiert der Vorstoß einen politischen Tiefpunkt in von der Leyens Amtszeit.

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