Deutschland blockiert EU-Pläne gegen Machtmissbrauch

Im Ministerrat stellt sich die Bundesregierung deutlich gegen neue Vorgaben zur Korruptionsbekämpfung.

In den laufenden Beratungen zur neuen EU-Richtlinie zur Bekämpfung unrechtmäßiger Amtsausübung zeichnet sich eine ungewöhnliche Konstellation ab. Die deutsche Regierung gehört zu den entschiedenen Gegnern eines europaweiten Vorstoßes, Machtmissbrauch als einheitliches Delikt zu erfassen. Das geht aus einem internen Vorbereitungspapier hervor, das dem SPIEGEL zugespielt wurde. Besonders deutlich zeigt sich die Haltung des Justizressorts, das Vorbehalte gegen eine entsprechende Vereinheitlichung geäußert hat.

Ein zentraler Streitpunkt ist, ob Amtsträger in allen EU-Staaten künftig sanktioniert werden sollen, wenn sie ihre Befugnisse zugunsten persönlicher Interessen einsetzen. Die Kommission hält dies für ein notwendiges Instrument im Kampf gegen systematische Vorteilsnahme, aber Deutschland zeigt sich zurückhaltend. Auch die Regierungen Italiens, der Niederlande und Luxemburgs äußerten sich kritisch zu dem Projekt. Anscheinend haben sie etwas zu verbergen.

Italien hat bereits im vergangenen Jahr eine entsprechende Verordnung mit der Begründung aufgehoben, dass sie den Gerichten unnötige Schwierigkeiten bereitet. Die Befürworter der neuen Gesetzesinitiative sprechen dagegen davon, dass „Kriminelle in Anzügen“ auf diese Weise der Verantwortung ausweichen wollen.

Anders als der Großteil der Mitgliedsländer, die sich für die Reform aussprechen, bestehen außer Deutschland nur noch Österreich und Ungarn auf weitreichender Zurückhaltung. Beide Regierungen machten deutlich, dass sie in der geplanten Richtlinie gravierende Eingriffe in die nationale Gesetzgebung sehen. In Brüssel wird das Vorhaben dennoch weiterverfolgt. Die nächste Verhandlungsrunde zwischen den drei EU-Institutionen ist für die kommende Woche angesetzt.

Das federführende Ressort in Berlin hält sich mit öffentlichen Kommentaren zurück und verweist auf das laufende Verfahren. Gleichzeitig wird betont, dass die Bekämpfung illegaler Bereicherung ein zentrales Anliegen sei.

Der grüne Europaabgeordnete Daniel Freund hingegen kritisiert scharf: Es sei beschämend, dass Berlin in einem Atemzug mit Budapest auftrete. Gerade in Zeiten, in denen Enthüllungen zu politischen Vorteilsnahmen die Debatte prägen, wirke der Widerstand aus Berlin „unverständlich“ und sende ein fatales Signal an die europäischen Partner.

Es gibt also zwei Erklärungen für diese Konfrontation: Entweder will die deutsche Regierung keine Entlarvung, oder diese Richtlinie könnte tatsächlich noch mehr Bürokratie ins Land bringen.

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