EZB vor nächstem Zinsschritt

Verbraucherpreise steigen langsamer, Arbeitslosigkeit geht zurück. Aber der Kurs der Geldpolitik bleibt für viele unbefriedigend.

Im Mai lag die jährliche Preissteigerung im Währungsraum erstmals seit Langem wieder unter der Zielmarke der Europäischen Zentralbank. Wie Eurostat am Montag mitteilte, belief sich der Anstieg der Verbraucherpreise im Vergleich zum Vorjahresmonat auf 1,9 Prozent. Im April hatte dieser Wert noch bei 2,2 Prozent gelegen. Damit nähert sich die Preisentwicklung der von der EZB angestrebten mittelfristigen Stabilitätsmarke.

Die Entwicklung dürfte den Währungshütern in Frankfurt Rückenwind geben. Bereits am Donnerstag steht der nächste Beschluss zur künftigen Ausrichtung der Geldpolitik an. Es gilt als wahrscheinlich, dass der zentrale Einlagensatz auf 2,0 Prozent reduziert wird.

Die Zinswende vor rund einem Jahr begann mit einem Satz von 4,0 Prozent. Seither wurde der Leitzins mehrfach angepasst. In der Folge verbilligten sich sowohl Kredite als auch Sparprodukte. Vor allem bei der Kreditvergabe zeigt sich ein Aufwärtstrend. Im privaten Sektor wurde zuletzt ein Plus von 1,9 Prozent verzeichnet, bei Unternehmen lag der Zuwachs sogar bei 2,6 Prozent.

„Die EZB hat nicht mehr viel Spielraum, die Zinsen weiter abzusenken“, sagt Sonsoles Castillo Delgado, Analystin der spanischen Bank BBVA.

Der schwelende Konflikt im Welthandel wirkt sich spürbar auf Wechselkurse und Rohstoffpreise aus. Der Euro hat gegenüber anderen Währungen an Wert gewonnen, was Importe günstiger, insbesondere bei Öl und Gas, macht. Dies dämpft die Preisentwicklung zusätzlich.

Die Richtung der Geldpolitik ist jedoch noch nicht ganz klar. Einige Experten, etwa Konstantin Veit von Pimco, mahnen zur Vorsicht. Die anderen, wie Jari Stehn von Goldman Sachs, warnen davor, den Leitzins zu früh zu senken, da das Risiko eines Wiederanstiegs der Inflation bestehe.

Auch im sogenannten Schattenrat, einem unabhängigen Expertengremium, das regelmäßig die geldpolitische Ausrichtung der EZB kommentiert, herrscht keine Einigkeit. Die Spannungen im globalen Handel, unsichere Konjunkturaussichten und geopolitische Risiken machen Prognosen schwierig.

Ergänzend zur Inflationsentwicklung veröffentlichte Eurostat aktuelle Daten zum Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote im Euro-Raum sank im April auf 6,2 Prozent, nachdem sie im März bei 6,3 Prozent gelegen hatte. Insgesamt waren rund 10,7 Millionen Menschen ohne Beschäftigung. Am niedrigsten war die Quote in Malta mit 2,7 Prozent, gefolgt von Deutschland mit 3,6 Prozent. Auch Finnland, Griechenland und Estland verzeichneten hohe Arbeitslosenzahlen.

Die Preisentwicklung entspannt sich, die Arbeitsmarktdaten sind stabil. Aber die Entwicklung von wirtschaftlichen und geopolitischen Risiken ist unvorhersehbar. Die EZB steht vor komplexen Entscheidungen.

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