Wie der Klimawandel Deutschlands Landwirtschaft grundlegend verändert
02 July 2025, 08:00 Uhr
Steigende Temperaturen und schwindende Niederschläge zwingen Landwirte zum Umdenken mit neuen Strategien, Sorten und Strukturen.
Ein violetter Schleier liegt über weiten Teilen des Landes. Das ist eine Warnung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vor extremer Hitze. In Städten wie Heilbronn steigen die Werte bereits seit Tagen auf über 35 Grad. Solche Witterungsverhältnisse sind längst keine Ausnahme mehr, sondern Ausdruck einer tiefgreifenden klimatischen Verschiebung.
Für Landwirt Stefan Kerner aus Baden-Württemberg wirken sich diese Veränderungen sehr stark auf seinen wirtschaftlichen Zustand aus. Der Beginn seiner Erntezeit fällt mittlerweile in den Frühsommer – früher ein Zeitpunkt für die Aussaat. Sommerliche Hitzephasen mit Temperaturen jenseits der 30-Grad-Marke beeinträchtigen die physiologischen Prozesse vieler Kulturpflanzen. Um Schäden an Getreide, Hanf oder Raps zu vermeiden, setzt Kerner heute auf Wintersaat. Die Mohnernte ist in diesem Jahr stabil.
Kerner experimentiert auch mit neuen Kulturarten. So baut er Kichererbsen an, die ursprünglich heimisch in wärmeren Breitengraden. Diese Hülsenfrucht gilt als besonders robust gegenüber Hitze und kann durch stickstofffixierende Knöllchenbakterien auf Dünger verzichten. Allerdings ist sie empfindlich gegenüber Feuchtigkeit kurz vor der Ernte. Dennoch sieht Kerner großes Potenzial, insbesondere für süd- und ostdeutsche Regionen mit zunehmend trockenen Böden.
Die größte Herausforderung? Die Akzeptanz. Viele Verbraucher scheuen den Aufwand des Einweichens. Kerner plädiert deshalb für neue Verarbeitungswege, etwa bereits vorgegarte Produkte aus heimischem Anbau.
Auch der Deutsche Bauernverband reagiert auf die klimatische Umstellung. Präsident Joachim Rukwied betont die Bedeutung erweiterter Fruchtfolgen und widerstandsfähigerer Sorten. Die gesamte Branche befinde sich in einem tiefgreifenden Transformationsprozess.
DWD-Meteorologe Uwe Schickedanz bestätigt diese Entwicklung. Heiße Tage haben sich in den letzten Jahrzehnten vervielfacht, während der Niederschlag insbesondere im Frühling zurückgeht. In Stuttgart sank die Juni-Niederschlagsmenge innerhalb von 30 Jahren um rund 20 Prozent. Besonders betroffen sind laut DWD Südwest- und Ostdeutschland.
Zwar seien die Wasserspeicher aktuell gut gefüllt, doch die zunehmende Trockenheit lässt nichts Gutes erahnen. Was bleibt, ist eine offene Wetterlage – und eine Branche im Wandel.