Wenn Arbeit im Alter zur Notwendigkeit wird
09 June 2025, 10:42 Uhr
Die Zahl der Menschen mit niedrigen Renten geht zwar zurück, aber ihre finanzielle Situation verbessert sich dadurch nicht. Immer mehr von ihnen arbeiten über ihr normales Arbeitsleben hinaus.
Die Zahlen aus Wiesbaden zeigen, dass der Anteil der über 65-Jährigen mit Bezügen unterhalb einer symbolischen Grenze 2024 im Vergleich zum Vorjahr gesunken ist. Was auf den ersten Blick wie eine angenehme Erfahrung aussieht, ist in Wirklichkeit gar nicht so gut.
Noch immer lebt nahezu jeder vierte Ruheständler mit einer Monatszahlung, die kaum ausreicht, um in vielen Städten Deutschlands die steigenden Lebenshaltungskosten zu decken. Die Zahl der über 67-Jährigen, die weiterhin einer Beschäftigung nachgehen, erreicht ein Rekordhoch. Über 1,1 Millionen ältere Menschen sind noch beruflich aktiv. Das ist eine Zahl, die sich innerhalb von zwei Jahrzehnten vervierfacht hat.
Was einst als Ausnahme galt, ist mittlerweile Normalität geworden. Immer mehr Menschen im Rentenalter sind auf zusätzliches Einkommen angewiesen. Sei es durch Minijobs, Teilzeit oder selbstständige Tätigkeiten. Der Rückzug aus dem Erwerbsleben verzögert sich für viele. Dabei ist nicht jeder dieser Fälle Ausdruck eines Wunsches nach Aktivität im Alter. Häufig stehen hinter dieser Entwicklung handfeste finanzielle Engpässe.
Der offizielle Anstieg der Altersbezüge um 3,74 Prozent ab Juli mag kurzfristig die Kaufkraft stärken. Doch diese Anpassung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Ältere weiterhin mit steigenden Mietpreisen, Gesundheitsausgaben und Energie-Mehrkosten zu kämpfen haben, während Vermögen sehr ungleich verteilt sind. Auch wenn Durchschnittswerte auf eine gewisse Absicherung hindeuten, erleben viele den Ruhestand keineswegs als sorgenfreie Lebensphase.
Menschen, die ihr ganzes Leben lang für einen geringen Lohn gearbeitet haben, Kinder erziehen oder Angehörige pflegen, befinden sich in einer äußerst kritischen Situation. Diese gesellschaftlich notwendigen Tätigkeiten werden wirtschaftlich praktisch nicht honoriert. Es gibt keine strukturelle Gerechtigkeit im Rentensystem.
Ein Rückgang der Armutsquote im Alter darf nicht über die strukturellen Schwächen hinwegtrösten. Wenn Menschen selbst nach einem erfüllten Arbeitsleben ihren Lebensabend nicht aus eigenen Mitteln bestreiten können, läuft etwas grundlegend falsch.