Mehr Druck, wenig Plan zur Arbeit

Merz will die Deutschen dazu bringen, härter zu arbeiten. Sind sie wirklich so faul?

Die neue Regierung setzt auf Leistung. Friedrich Merz macht in seiner Antrittsrede deutlich, dass wer den wirtschaftlichen Abschwung stoppen will, muss sich anstrengen. Nur mit mehr Engagement kann Deutschland zu der Stärke früherer Jahre zurückfinden. Doch statt innovative Konzepte zur Modernisierung der Arbeitswelt zu liefern, setzt er auf ein Rezept von gestern: längere Arbeitstage und Effizienzsteigerung. Man fragt sich, ob das reicht oder ob Merz schlicht eigene Versäumnisse kaschieren will.

Eine Untersuchung des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft untermauert seine Forderung. Laut den Zahlen liegt die durchschnittliche jährliche Erwerbszeit je Person zwischen 15 und 64 Jahren im internationalen Vergleich auffallend niedrig. Im europäischen Raum schneiden nur wenige Länder schlechter ab. In anderen Regionen, z. B. im pazifischen Gebiet, sind die Arbeitszeiten wesentlich länger.

Thorsten Frei, Kanzleramtschef, warnt davor, die Erwerbstätigkeit dem Ideal einer perfekten Lebensbalance unterzuordnen. Freiheit bedeute zwar Selbstbestimmung, dürfe aber nicht zu Lasten des Gemeinwohls gehen. Zugleich relativieren Fachleute die Zahlen. So weist das IW selbst darauf hin, dass Unterschiede bei der Datenerhebung eine direkte Gegenüberstellung erschweren. Das Amt für Statistik berichtet außerdem, dass die wöchentliche Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten im Laufe der Jahre stabil geblieben ist, während es bei Teilzeitbeschäftigten einen leichten Anstieg und Rückgang gegeben hat.

Ein weiteres Hindernis stellt die angespannte Personalsituation dar. Studien zeigen, dass derzeit in bestimmten technischen Berufen viele Positionen nicht besetzt werden können. Das geschieht besonders im Bereich Gebäudetechnik. Diese Lücke trifft Betriebe unmittelbar. Auch das Kompetenzzentrum für Fachkräftesicherung verweist auf einen Rückgang der Besetzungsquote und sieht darin ein strukturelles Problem, das sich nicht allein durch längere Erwerbszeiten lösen lasse.

Zwar belegt die Statistik, dass die wöchentliche Stundenzahl bei Vollzeitbeschäftigten relativ konstant ist. Doch die eigentliche Herausforderung liegt in der veralteten Infrastruktur, den fehlenden Anreizen für Innovationen und einer schleppenden Digitalisierung. Merz geht darauf kaum ein. Stattdessen schiebt er die Verantwortung auf die Bevölkerung.

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