Rüstungsboom in Europa. Wer profitiert und wer zahlen soll?
04 June 2025, 07:28 Uhr
Staatliche Milliardeninvestitionen kurbeln die Verteidigungswirtschaft an. Aber der Ruf nach Umverteilung und Kontrolle wird lauter.
In Europas Verteidigungsindustrie herrscht derzeit Hochkonjunktur. Unternehmen wie Rheinmetall erleben einen regelrechten Nachfrageboom. Konzernchef Armin Papperger spricht bereits davon, dass Kunden „ganze Fabriken“, was auf eine dramatische Steigerung der Produktionskapazität hindeutet. Der Reingewinn des Düsseldorfer Unternehmens ist innerhalb von drei Jahren von 291 auf 717 Millionen Euro gestiegen, und der Börsenwert erklimmt neue Höhen.
Diese Entwicklung steht nicht allein. Rüstungsunternehmen in zahlreichen Mitgliedstaaten profitieren massiv von gemeinsamen Beschaffungsprogrammen. Die Europäische Union plant laut Brüsseler Angaben bis zum Ende des Jahrzehnts Verteidigungsprojekte im Volumen von rund 800 Milliarden Euro. Die nationalen Ausgabenpläne, etwa Deutschlands Sondervermögen, kommen noch hinzu.
Immer mehr Stimmen innerhalb der Politik fordern jedoch, dass die öffentlichen Mittel nicht ausschließlich den Aktionären zugutekommen dürfen. Grünen-Abgeordnete Hannah Neumann mahnt:
„Wenn der Markt mit Geldern geflutet wird, muss sichergestellt sein, dass diese zielgerichtet eingesetzt werden.“
Übermäßige finanzielle Vorteile für Einzelpersonen sollten vermieden werden, erforderlichenfalls auch durch Regulierungsmaßnahmen.
Ein internes Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Europaparlaments (EPRS) nennt drei Wege, wie die Profite besser verteilt werden könnten. Eine Option ist eine gezielte Besteuerung besonders hoher Überschüsse. Auch eine verstärkte staatliche Beteiligung, wie sie Frankreich oder Italien bereits praktizieren, wird als Möglichkeit genannt. So ließe sich politischer Einfluss mit direkter Einnahmenkoppelung verbinden.
Dritte Variante: neue Vertragsmodelle. Festpreise und vertragliche Eigenverantwortung für Zusatzkosten könnten verhindern, dass sich Auftragssummen durch ineffiziente Planung unkontrolliert erhöhen. Das Bundeswehr-Beschaffungsamt sieht sich hier bereits gut gerüstet.
Bereits vor den Brüsseler Initiativen hatte Italiens Finanzminister Giancarlo Giorgetti eine Sonderabgabe auf außergewöhnliche Profite angeregt.
Seine Argumentation lautet, dass in Krisenzeiten jeder seinen Beitrag leisten muss, auch Unternehmen, die wirtschaftlich von geopolitischen Spannungen profitieren.
Die Debatte wird also weitergehen. Die deutschen Behörden werden sich zwischen der Notwendigkeit der Verteidigung und der wirtschaftlichen Gerechtigkeit entscheiden müssen.