Neue Chancen für den Euro

Die Europäische Zentralbank sieht eine historische Gelegenheit zur Stärkung der eigenen Währung. Aber dafür braucht es entschlossene Reformen.

Die geopolitischen und wirtschaftlichen Turbulenzen in den Vereinigten Staaten wirken sich zunehmend auf das Verhalten globaler Finanzakteure aus. Immer mehr von ihnen richten ihren Blick auf Europa. Das beobachtet auch Isabel Schnabel, Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank, die am Samstag auf einer bedeutenden Wirtschaftskonferenz in Dubrovnik sprach. Für sie sei nun der richtige Moment gekommen, die Position der europäischen Gemeinschaftswährung auf der Weltbühne zu festigen.

Schnabel wies darauf hin, dass Kapitalanleger auf der Suche nach Stabilität gezielt nach Alternativen zum bisherigen Primat amerikanischer Vermögenswerte suchten und sich stärker auf europäische Optionen konzentrieren. Die Wahrnehmung Europas als verlässlicher Wirtschaftsraum spiele dabei eine wichtige Rolle. Schnabel sprach von einem „Vertrauenseffekt“, der der EU neue Spielräume eröffne.

Auch andere Stimmen innerhalb der Zentralbank bekräftigten in den vergangenen Wochen diesen Kurs. EZB-Präsidentin Christine Lagarde etwa hatte schon früher betont, dass sich durch die nationalistisch geprägte US-Außen- und Handelspolitik neue strategische Optionen für Europa ergäben. Die Schwächung des Dollar, der in den vergangenen Monaten gegenüber anderen Leitwährungen an Wert verlor, unterstreiche diese Dynamik.

Schnabel sieht vor allem die wachsenden staatlichen Ausgaben in Bereichen wie Infrastruktur und Sicherheit als einen zusätzlichen Anreiz für Finanzakteure. Besonders das Umdenken in Deutschland – weg von striktem Haushaltskalkül – werde positiv bewertet. Für Anleger sei entscheidend, dass Europa nicht nur stabil sei, sondern auch wachstumsorientiert handle.

Aber Bundesbankchef Joachim Nagel warnte vor verfrühter Euphorie. Der Euro kann nur dann eine stärkere globale Rolle übernehmen, wenn Europa sich wirtschaftlich enger zusammenschließe und gemeinsame Finanzinstrumente schafft, etwa durch einen vertieften Anleihenmarkt oder gemeinsame Investitionsinitiativen.

Ob der sogenannte „globale Euro-Moment“ tatsächlich eintritt, hängt nun maßgeblich davon ab, ob die Mitgliedstaaten bereit sind, die dafür nötigen strukturellen Entscheidungen zu treffen. Nur dann kann Europa das entstandene Vakuum erfolgreich ausfüllen.

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