Lieferkettenregeln zwischen Verantwortung und Bürokratie

Unternehmen fordern Entlastung, die Politik ringt um den richtigen Kurs. Nationale Reformpläne stoßen auf europäische Hürden.

In Deutschland gibt es eine neue Debatte über die Verantwortung von Unternehmen für ihre globalen Lieferketten. Hintergrund sind zwei Regelwerke, die national wie europäisch darauf abzielen, menschenrechtliche Standards und Umweltauflagen innerhalb der Wirtschaft besser zu verankern. Auf nationaler Ebene gilt seit Anfang 2024 ein Gesetz, das größere Firmen verpflichtet, Risiken in ihren Lieferbeziehungen zu erkennen, zu bewerten und Maßnahmen zu ergreifen. Parallel dazu trat auf EU-Ebene eine Richtlinie in Kraft, die ähnliche Ziele verfolgt, aber einen noch weiteren Anwendungsbereich umfasst.

Mittelständische Unternehmen, wie der Werkzeughersteller Paul Horn GmbH aus Tübingen, sehen sich durch die gesetzlichen Vorgaben mit unverhältnismäßiger Bürokratie konfrontiert. So betont Geschäftsführer Markus Horn, dass die Idee der gesetzlichen Verankerung von Unternehmensverantwortung zwar grundsätzlich richtig sei, die Umsetzung aber zu kompliziert und kostspielig sei und nicht der Realität in der Wirtschaft entspreche. Er fordert eine deutlich praxisnähere Regelung, die Aufwand und Wirkung besser in Einklang bringt.

Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, den bürokratischen Aufwand für Unternehmen spürbar zu verringern. Bis Ende 2025 sollen im Rahmen eines Sofortprogramms entsprechende Maßnahmen umgesetzt werden. Ein zentraler Bestandteil dieser Reform ist die geplante Abschaffung des deutschen Lieferkettengesetzes. Stattdessen soll ein neues Gesetz geschaffen werden, das internationale Unternehmensverantwortung mit weniger Berichtspflichten verbindet. Auch Sanktionen sollen künftig nur noch bei gravierenden Verstößen greifen.

Obwohl sich viele Unternehmer über diesen Kurswechsel freuen, ist die politische Debatte noch lange nicht beendet. Denn unabhängig vom nationalen Gesetz gelten weiterhin die Bestimmungen auf EU-Ebene. Die sogenannte CSDDD – die Richtlinie zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht – verpflichtet alle Mitgliedstaaten dazu, bis spätestens 2026 neue Regelungen einzuführen. Der Geltungsbereich wird schrittweise erweitert und betrifft letztlich auch Unternehmen mit über 1.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz über 450 Millionen Euro.

Bundeskanzler Friedrich Merz setzt sich in diesem Zusammenhang für eine grundsätzliche Neubewertung auch auf europäischer Ebene ein. Bei Gesprächen in Brüssel forderte er die Kommission auf, nicht nur das deutsche Gesetz, sondern auch die EU-Richtlinie zurückzunehmen. Doch selbst Koalitionspartner sind anderer Meinung als der CDU-Sprecher. SPD-Mitglieder betonen, dass im Koalitionsvertrag nur die Abschaffung der Inländerbehandlung festgeschrieben ist. Sie argumentieren, dass Änderungen auf EU-Ebene nicht Teil des politischen Konsenses waren.

Viele Unternehmen hoffen, dass zumindest auf deutscher Ebene bald Klarheit geschaffen wird. Gefordert wird, die Regulierung künftig auf Direktlieferanten zu beschränken und eine Positivliste von Ländern einzuführen, für die keine zusätzlichen Kontrollen erforderlich sind. Solche Maßnahmen könnten nicht nur die Zahl der sich überschneidenden Strukturen reduzieren, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft stärken, ohne die Verantwortung zu vergessen.

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